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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.08.2005
Aktenzeichen: 5 Ws 282/05 Vollz
Rechtsgebiete: StPO, StVollzG


Vorschriften:

StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StVollzG § 118 Abs. 2
StVollzG § 113 Abs. 1
StVollzG § 113 Abs. 1 Halbsatz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Ws 282/05 Vollz

In der Strafvollzugssache

wegen Selbstbeschäftigung

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 15. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt Tegel wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 22. April 2005 (nicht: 2004) - mit Ausnahme der Bestimmung des Streitwerts - aufgehoben.

Der Antrag des Gefangenen vom 9. Dezember 2004, "den Antragsgegner im Wege eines Vornahmeantrages zu verpflichten, den Antragsteller in Sachen Selbstbeschäftigung unverzüglich neu zu bescheiden", wird als unzulässig zurückgewiesen.

Der Gefangene hat die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen.

Gründe:

Der Antragsteller verbüßte bis zum 20. Februar 2005 eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Seitdem wird dort die Sicherungsverwahrung vollzogen. In dem durch seinen Antrag vom 21. November 2003 eingeleiteten Verfahren 541 StVK (Vollz) 990/03 hatte die Strafvollstreckungskammer mit Beschluß vom 16. August 2004 den Leiter der Justizvollzugsanstalt Tegel verpflichtet, das von ihm zuvor abgelehnte Begehren des Gefangenen auf Genehmigung der Selbstbeschäftigung zur Fertigstellung mehrerer Bücher neu zu bescheiden. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt focht diesen Beschluß zunächst mit der Rechtsbeschwerde an, nahm diese aber am 30. November 2004 zurück, so daß die Entscheidung des Landgerichts am 1. Dezember 2004 Rechtskraft erlangte.

Mit dem Antrag vom 9. Dezember 2004 begehrte der Gefangene daraufhin, ihn "in Sachen Selbstbeschäftigung" unverzüglich zu bescheiden. Der Teilanstaltsleiter beschied den Beschwerdeführer am 14. Dezember 2004, er entspreche dem Antrag auf Selbstbeschäftigung "grundsätzlich", müsse aber noch prüfen, ob der Gefangene hieraus ein Entgelt erzielen könne.

Am 27. Januar 2005 fand ein Orts- und Anhörungstermin in der Justizvollzugsanstalt Tegel statt, an dem der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer, der Gefangene, dessen Verteidiger und der Teilanstaltsleiter III teilnahmen. Gegenstände der Erörterung waren die Habe des Gefangenen in der Hauskammer, sein Haftraum, die Selbstbeschäftigung und die bislang versagte Erlaubnis, einen Computer zu benutzen.

Zur Selbstbeschäftigung erklärte der Teilanstaltsleiter, der Gefangene müsse noch Unterlagen zur Tätigkeit, zum Arbeitgeber und zum erwarteten Honorar einreichen. Danach werde sein Antrag wohlwollend geprüft werden.

Am 1. Februar 2005 übersandte die Strafvollstreckungskammer der Anstaltsleitung, dem Verteidiger und dem Gefangenen jeweils eine Abschrift des Vermerks über den Orts- und Anhörungstermin. Das an die Anstalt gerichtete Anschreiben enthielt den Zusatz: "Ich bitte um Mitteilung des Sachstandes insbesondere hinsichtlich des Haftraums und der Hauskammer." Das an den Gefangenen gerichtete Anschreiben hingegen enthielt folgenden Zusatz: "Ich bitte um Mitteilung des Sachstandes insbesondere hinsichtlich des Haftraums und der Hauskammer und der Selbstbeschäftigung" (Unterstreichung durch den Senat).

Daraufhin schrieb der inzwischen in die Sicherungsverwahrung überführte Antragsteller am 23. Februar 2005, die Selbstbeschäftigung sei trotz unverzüglicher Vorlage der Honorar- bzw. Gewinnbescheinigung nicht umgesetzt worden.

Die Justizvollzugsanstalt nahm in dieser Sache zu dem Terminsvermerk keine Stellung; das Schreiben des Gefangenen erhielt sie nicht.

Am 22. April 2004 beschloß die Strafvollstreckungskammer, die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, den Antragsteller neu zu bescheiden. Dabei blieb ihr verborgen, daß die Vollzugsbehörde den Antrag bereits am 9. März 2005 abgelehnt hatte, was inzwischen Gegenstand des mit Beschluß vom 18. Juli 2005 im ersten Rechtszug abgeschlossenen Verfahrens 541 StVK (Vollz) 201/05 geworden ist.

Mit der Rechtsbeschwerde beanstandet der Leiter der Justizvollzugsanstalt Tegel die Verletzung von Verfahrensvorschriften und des sachlichen Rechts. Mit der Verfahrensrüge behauptet er eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens. Dem Schreiben der Kammer vom 1. Februar 2005 einschließlich des beigefügten Terminsvermerks sei nicht zu entnehmen gewesen, daß eine Stellungnahme der Anstalt zu diesem Thema erwartet werde. Mit den als Sachrüge zu wertenden Ausführungen (§ 120 Abs. 1 StVollzG, § 300 StPO) rügt er im wesentlichen, die Kammer habe den Rechtsstreit zu unrecht nicht für erledigt erklärt. Das Verfahren habe sich zunächst durch den Bescheid vom 14. Dezember 2004 und spätestens durch den von der Kammer übersehenen Bescheid vom 9. März 2005 erledigt. Erwüchse der Beschluß in Rechtskraft, müßte die Vollzugsbehörde in derselben Sache zwei selbständig anfechtbare Maßnahmen erlassen.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Der Senat läßt es zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu (§ 116 Abs. 1 StVollzG); denn die Handhabung der Strafvollstreckungskammer führt zu der Unzuträglichkeit, daß die Justizvollzugsanstalt verpflichtet würde, über denselben Streitgegenstand zweimal zu entscheiden.

I. Verfahrensrüge

Die Verfahrensrüge könnte unerörtert bleiben, weil die Sachrüge durchgreift. Der Senat bemerkt gleichwohl folgendes:

1. Die Rüge ist in unzulässiger Form erhoben; denn sie entspricht nicht dem der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nachgebildeten § 118 Abs. 2 StVollzG. Danach sind "die den Mangel enthaltenden Tatsachen" anzugeben. Das hat so vollständig zu geschehen, daß das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründung des Rechtsmittels ohne Rückgriff auf die Akten entscheiden kann, ob der gerügte Verfahrensmangel - wenn er bewiesen wird - tatsächlich vorliegt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 344 Rdn. 24 mit Nachw.). Der Anstaltsleiter rügt hier die Verletzung des fairen Verfahrens und bezieht sich dabei auf ein Terminsprotokoll vom 27. Januar 2005 und ein gerichtliches Schreiben vom 1. Februar 2005, teilt aber deren Inhalte nicht mit. Verfahrensrügen müssen indes ohne Bezugnahmen und Verweisungen begründet werden (vgl. Meyer-Goßner, § 344 StPO Rdn. 21 mit Nachw.). Das gilt für Rügen der Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. Senat, Beschluß vom 8. Dezember 1999 - 5 Ws 700/99 Vollz - mit Nachw.) ebenso wie für solche, die das Fehlen der gebotenen Fairneß beanstanden.

2. Wäre die Rüge in zulässiger Form erhoben worden, hätte sie Erfolg gehabt. Die Strafvollstreckungskammer hat der Vollzugsbehörde das rechtliche Gehör versagt. Anders als den Gefangenen hat sie in dem Schreiben vom 1. Februar 2005 die Behörde gerade nicht aufgefordert, zur Selbstbeschäftigung Stellung zu nehmen, sondern ausdrücklich andere Themen genannt. Alsdann hat sie die Stellungnahme des Gefangenen der Anstalt nicht mitgeteilt, so daß diese darauf nicht reagieren konnte. Im Ergebnis hat das dazu geführt, daß der Kammer der Bescheid vom 9. März 2005 verborgen blieb.

II. Sachrüge

Die Sachrüge hat Erfolg. Allerdings war die Sache nicht für erledigt zu erklären. Denn das hätte einen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorausgesetzt. Der Antrag des Gefangenen war aber von Anfang an unzulässig.

1. Über sein Begehren war bereits in dem Verfahren 541 StVK (Vollz) 990/03 entschieden worden. Nachdem der Beschluß am 1. Dezember 2004 rechtskräftig geworden war, bildete die dort getroffene Anordnung der Strafvollstreckungskammer, der Anstaltsleiter habe über den Verfahrensgegenstand erneut zu entscheiden, die alleinige Rechtsgrundlage für den Anspruch des Gefangenen. Gleichzeitig bestimmte sie den Inhalt und begrenzte die Reichweite dieses Anspruchs. Ein rechtliches Interesse, die Anstalt in zwei Parallelverfahren hinsichtlich desselben Verfahrensgegenstandes zu verpflichten, besteht nicht.

2. a) In Frage kam nur, die Anstalt mittels eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 Abs. 1 StVollzG) zu veranlassen, die ihr in jenem Verfahren auferlegten Pflichten zu befolgen. Zu einem solchen - von dem Beschwerdegegner auch so bezeichneten - Vornahmeantrag (Untätigkeitsantrag) ist der Gefangene gemäß § 113 Abs. 1 StVollzG nach Ablauf von drei Monaten auch dann berechtigt, wenn er dasselbe Begehren zuvor zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens vor der Strafvollstreckungskammer gemacht hatte (vgl. OLG Celle NStZ 1990, 207). Ob sich diese Frist im Streitfall nach § 113 Abs. 1 Halbsatz 2 StVollzG verkürzt, weil das Verfahren, das zu der Verpflichtung des Anstaltsleiters geführt hatte, bereits etwas mehr als ein Jahr gedauert hatte, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist es von vornherein gänzlich ausgeschlossen, einem Gefangenen zu erlauben, sich lediglich neun Tage, nachdem die Verpflichtung rechtskräftig geworden war, erneut an das Gericht zu wenden. Die Strafvollstreckungskammer hätte dessen Verlangen unverzüglich als unzulässig zurückweisen müssen.

b) Der Antrag wurde schon wegen seiner von Anfang an bestehenden Unzulässigkeit auch in der Folgezeit nicht zulässig. Er hätte aber auch zu einem späteren, angemessener erscheinenden Zeitpunkt nicht zulässig gestellt werden können. Denn der Anstaltsleiter hatte bereits am 14. Dezember 2004 eine Zwischenverfügung getroffen, die das Verfahren zwar nicht erledigte, dessen Ablauf aber förderte. Danach vergingen keine drei Monate mehr, bis der Anstaltsleiter der Verpflichtung zur Neubescheidung am 9. März 2005 nachkam, nachdem ihm die erforderten Unterlagen und Informationen zugegangen waren. Ob dieser Bescheid inhaltlich der Überprüfung standhält, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1, 4 StVollzG, § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.



Ende der Entscheidung

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